In vielen Kulturen werden ältere Frauen übersehen. Auf Jeju, einer Insel vor Südkorea, ist das anders. Dort sind sie die Hüterinnen einer uralten, körperlich anspruchsvollen, kollektiv getragenen Tradition – die Haenyeo, die „Frauen des Meeres“. Sie tauchen ohne Sauerstoffgeräte, nur mit Flossen, Brille und Atem. Bis zu zwanzig Meter tief, bis zu vier Minuten lang. Viele von ihnen sind sechzig, siebzig oder achtzig Jahre alt.
Ihre Arbeit ist hart, gefährlich, präzise – und von einer rauen, physischen Schönheit. Mit bloßen Händen sammeln sie Abalone, Muscheln, Seegras. Sie begegnen Quallen, Strömungen, Kälte, manchmal Haien. Wenn sie wieder auftauchen, hört man den charakteristischen Pfeifton ihrer Atemtechnik – das Sumbisori: ein rhythmisches, stoßweises Ausatmen, das Überleben sichert. Kein Ritual, sondern gelebte Atemphysiologie. Und gleichzeitig ein akustisches Zeichen für Gemeinschaft, für Rückkehr, für: „Ich bin noch da.“
In vielen Kulturen werden ältere Frauen übersehen. Auf Jeju, einer Insel vor Südkorea, ist das anders. Dort sind sie die Hüterinnen einer uralten, körperlich anspruchsvollen, kollektiv getragenen Tradition – die Haenyeo, die „Frauen des Meeres“. Sie tauchen ohne Sauerstoffgeräte, nur mit Flossen, Brille und Atem. Bis zu zwanzig Meter tief, bis zu vier Minuten lang. Viele von ihnen sind sechzig, siebzig oder achtzig Jahre alt.
Ihre Arbeit ist hart, gefährlich, präzise – und von einer rauen, physischen Schönheit. Mit bloßen Händen sammeln sie Abalone, Muscheln, Seegras. Sie begegnen Quallen, Strömungen, Kälte, manchmal Haien. Wenn sie wieder auftauchen, hört man den charakteristischen Pfeifton ihrer Atemtechnik – das Sumbisori: ein rhythmisches, stoßweises Ausatmen, das Überleben sichert. Kein Ritual, sondern gelebte Atemphysiologie. Und gleichzeitig ein akustisches Zeichen für Gemeinschaft, für Rückkehr, für: „Ich bin noch da.“
Rückgrat und Vermächtnis
Noch in den 1970er-Jahren lebten über 30.000 Haenyeo auf Jeju. Sie tauchten in Kollektiven, teilten ihre Beute gerecht, unterstützten sich gegenseitig – auch die älteren Frauen, die in flacheren Gewässern blieben. Damit wurden Häuser gebaut, Töchter zur Schule geschickt, Familien versorgt. Die Haenyeo waren kein Mythos, sondern das Rückgrat ganzer Dörfer.
Heute gibt es nur noch wenige Hundert. Die meisten sind über fünfzig, viele weit darüber. Die Erfahrung wird in drei Stufen unterschieden: Hagun, Junggun, Sanggun – von der Anfängerin zur Meisterin. Kein formales System, sondern organisiertes Erfahrungswissen. Weitergegeben nicht in Handbüchern, sondern durch Tun. Über Generationen gewachsenes Körperwissen, das Resilienz, Solidarität und Würde verbindet.
„Die Seefrauen leben sehr nah am Tod – deshalb wissen sie, dass sie nicht alleine auskommen können“, sagt Kang Kwon-yong vom Haenyeo-Museum. Wer tief geht, braucht andere, die oben bleiben. Gemeinschaft ist keine Option – sie ist Überlebensbedingung.